RF - Reporter:innen-Preis 2021

Die Werkstattgespräche mit den Preisträger:innen

Reportage

„Über Bord“ - Nachrichten von ertrunkenen Flüchtlingen im Mittelmeer sind Alltag geworden. Was geschieht bei einer solchen Katastrophe? Wie gehen Überlebende, Rettungskräfte und Angehörige mit ihren schrecklichen Erlebnissen um? Die Geschichte eines Bootsunglücks vor der griechischen Küste am 28. Oktober 2015, eindrücklich rekonstruiert von Nicola Meier für das „SZ-Magazin“, ausgezeichnet mit dem Preis für die Beste Reportage 2021. Felicitas von Lovenberg hält die Laudatio und unterhält sich mit Nicola Meier über Hintergründe des Unglücks und ihre Recherche.

Essay

„Kann man an der Macht ein guter Mensch sein?“ - Politik gilt als ein Spiel von Intrige, Demütigung und Rache. Angela Merkel hat dabei nicht mitgemacht – und war gerade deshalb erfolgreich, hat Bernd Ulrich in der „Zeit“ behauptet, in einem langen, glänzend geschriebenen Essay. „Analytisch brillant“ befand die Jury, „literarisch ein Fest“ und zeichnete den Text aus mit dem Preis für den Besten Essay. Laudatour Friedrich Küppersbusch hat nachgehakt: Wie war die Redaktion von Angela Merkel?

Investigation

„Pegasus-Projekt“ - Eine israelische Firma erfand eine Software, um die Smartphones von Kriminellen und Terroristen auszuspähen. Zugleich wurde diese Software weltweit als Waffe gegen Menschenrechtler und Oppositionelle missbraucht. – Es war eine internationale Recherche, in Deutschland von zwei Redaktionen vorangetrieben: dem Rechercheteam der „Süddeutschen Zeitung“ um Frederik Obermaier und dem Team der „Zeit“ um Holger Stark. Im Gespräch mit Laudatorin Elisabeth Niejahr erzählen sie, wie sie gearbeitet haben.

Sport

„Ins kalte Wasser“ - Als Baby weggegeben, als Kind fast ertrunken, als Athletin gefeiert: Wenn in ein paar Tagen die Paralympics beginnen, ist die Schwimmerin Gina Böttcher eine der größten deutschen Hoffnungen. Thorsten Schmitz hat sie in der „Süddeutschen Zeitung“ porträtiert. Und „schafft es, was die Meisterschaft großer Reportagen ist, beiläufig, durch seine wertfreien Beschreibungen eine ganze Lebenswelt zu erschließen“, lobte Laudator Ronald Reng. Das ausführliche Gespräch der beiden seht ihr hier:

Lokalreportage

„Die Heimat, die uns keine ist“ – Eine bestens integrierte, allseits beliebte Familie lebt acht Jahre in Pirna. Dann holt die Polizei sie mitten in der Nacht und schiebt sie nach Georgien ab. Nachbarn kämpfen um ihre Rückkehr, schließlich urteilt ein Gericht: Die Abschiebung war rechtswidrig, die Familie kehrt nach Pirna zurück. Franziska Klemenz von der „Sächsischen Zeitung“ hat das Schicksal der Imerlishvilis über Monate in einer beeindruckenden Reportage-Serie begleitet. „Die Autorin versteht es meisterhaft, die emotionale und gesellschaftliche Seite der Geschichte immer wieder mit der Kaltschnäuzigkeit der Behörden zu verflechten“, lobt Laudatorin Maja Weber. Wie ging Franziska Klemenz vor?

Interview

„Was bleibt von den Ertrunkenen?“ - Stürzt ein Flugzeug ab, wird alles daran gesetzt, die sterblichen Überreste der Opfer zu bergen. Sinkt ein Boot mit Geflüchteten, geschieht nichts. Die Forensikerin Cristina Cattaneo versucht, den Geflüchteten ihre Namen zurückzugeben, den Lebenden Gewissheit - und identifziert die Toten des Mittelmeers. Eine fast unlösbare Aufgabe, nacherzählt in einem Interview, das einem nicht mehr aus dem Kopf gehen wird. Julia Prosinger und Susanne Kippenberger haben es für den „Tagesspiegel“ geführt und erzählen Laudatorin Gesine Cukrowski von ihrer Arbeit.

Wissenschaft

„Die Welt-Impfung“ - In wenigen Monaten gelang der Menschheit, was sonst Jahre dauert: einen Schutz gegen ein tödliches Virus zu finden. Vivian Pasquet von „Geo“ und Martin Schlak vom „Stern“ haben diese beispiellose Unternehmung nachgezeichnet – und eine beispielhafte Wissenschaftsreportage geschrieben. „Die schönste, überzeugendste und umfassendste Erzählung in diesem Corona-Jahr“, urteilte die Jury. Armin Wolf hat die Laudatio gehalten und Vivian und Martin zum Making Of befragt.

Freier Reporter

„Und was will der Wal?“ - Vor zehn Jahren wird ein junger, fast verhungerter Orca im niederländischen Wattenmeer gefunden. Der Schwertwal wird gerettet, inzwischen lebt er in einem Zoo. Seither streiten viele Menschen darüber, was gut für ihn ist. Johannes Böhme hat die Geschichte für das „Zeit Magazin“ meisterhaft nachgezeichnet. Und auch die Laudatio von Philosoph Wolfram Eilenberger ist ein Genuss: Der Text sei eine Allegorie auf das Anthropozän und zeige exemplarisch, wie schwer es uns heute fällt, mit den letzten Resten von Wildheit umzugehen.

Kulturreportage

„Ganz starker Stoff“ - Pathé’O ist einer der wichtigsten Modeschöpfer Afrikas. Er nähte schon Hemden für Nelson Mandela und sieht sich auch selbst als Kämpfer: Die Menschen sollen sich endlich von der Übermacht der westlichen Mode befreien. Eine atmosphärische, sinnliche Reportage, die mit Afrika-Klischees aufräumt und ein „Kribbeln im Kopf“ verursacht, urteilte die Jury. Barbara Achermann hat die Geschichte für das „Zeit Magazin“ glänzend aufgeschrieben und erzählt Laudatorin Samira El Ouassil, warum der Westen dringend Entwicklungshilfe aus Afrika benötigt.

Multimedia

„Der BER im 3D Modell“ - Einige hatten die Hoffnung schon aufgegeben. Doch im Oktober 2020 eröffnete der Flughafen Berlin Brandenburg nun doch, neun Jahre zu spät. Warum hat das noch mal so lange gedauert? Das Multimedia-Team des „Tagsspiegel“ um Hendrik Lehmann und Stephan Gensch hat sich reingefuchst, richtig reingefuchst und erklärt im Rundgang durch ein 3D-Modell des Pannenflughafens, welche Fehler gemacht wurden. Die Jury, genau wie Laudator Felix Dachsel, lobte den „innovativen Erzählstil, die reibungslos funktionierende Technik und das stringente Erzählen“. Mehr? Hier:

Podcast

„Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?“ - Die sechsteilige Dokumentar-Podcast-Serie erzählt die Geschichte vom Aufstieg des ehemaligen Radiomoderators Ken Jebsen zum bekannte Verschwörungstheoretiker. Wie konnte es dazu kommen? Und es geht um mehr: den Einfluss von Algorithmen, die Reichweite von Fake News, russische Desinformation, Populismus, Geschwurbel, Querdenken und Verschwörungstheorien. Es war der Podcast des Jahres, da war sich Jury so einig wie selten. Laudator Richard Gutjahr hat sich mit zweien der Macher unterhalten, mit Khesrau Behroz und Tobias Bauckhage.

Datenjournalismus

„Kein Filter für rechts“ - Die Reichsflagge als Emoji, AfD-Politiker, die für ein rechtes Modelabel posieren, Babys neben einer schwarzen Sonne, rassistische Hetze, Antisemitismus. Ein Team der Rechercheplattform CORRECTIV hat Instagram-Accounts analysiert – und zeigt, wie die rechte Szene auf der vermeintlich unpolitischen Plattform junge Menschen verführt. „In acht Monaten Arbeit haben die Kolleg*innen 4.500 Accounts ausgewertet. Herausgekommen ist, das kann man schon so sagen, ein ganz schöner Klopper“, lobt Laudator Marcus Engert – und will vom CORRECTIV-Team um Till Eckert wissen, wie sie vorgegangen sind, datentechnisch, journalistisch.

Lest, schaut, hört zu