Finanzminister Olaf Scholz ehrt Wirecard-Enthüller Dan McCrum

Ein starkes Signal für die Pressefreiheit: Der Finanzminister überreicht den Sonderpreis des Reporter-Forums an den Wirecard-Rechercheur Dan McCrum

Am heutigen Montagabend wird der Deutsche Reporterpreis 2020 verliehen. Den Sonderpreis erhält der englische Journalist Dan McCrum (Financial Times) für seine beharrlichen Recherchen über das betrügerische Finanzunternehmen Wirecard. Die Laudatio hält Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz..

„Ich habe heute die Ehre, die Laudatio auf einen Journalisten halten zu dürfen, der genau hingeschaut hat – einen Aufklärer in bester Historie der Pressefreiheit“, sagt Olaf Scholz in seiner Preisrede. „Dan McCrum hat mit seinen Berichten und Reportagen in der ,Financial Times‘ über das ,House of Wirecard‘ nicht nur einen Meilenstein des investigativen Journalismus gelegt. Er hat sich damit auch große Verdienste um den Rechtsstaat, unser Gemeinwesen und, und das will ich hier sehr deutlich sagen, auch um den Finanzstandort Deutschland erworben.“

Seit 2014 hatte Dan McCrum die Bilanzen des DAX-Konzerns durchleuchtet und über das "House of Wirecard" geschrieben. Im Januar 2019 deckte er auf, wie Wirecard Umsätze in Asien erfunden und Bilanzen geschönt hatte. Worauf die deutsche Finanzaufsicht Bafin Untersuchungen gegen Wirecard einleitete – und gegen Dan McCrum und seine Kollegin Stefania Palma. Die Staatsanwaltschaft in München ermittelte wegen möglicher Marktmanipulation. Erst im Juni 2020 stürzte das "House of Wirecard" spektakulär ein.

Olaf Scholz: „Schicht für Schicht hat er aufgedeckt, dass die Bilanzen nicht stimmten. Er hat das gemacht, was gute Journalistinnen und Journalisten tun. Er hat sich durch die Zahlen gewühlt und dann Fragen gestellt.“ Und das „gegen viele Widerstände und trotz mancher Unterstellungen“. Scholz weiter: „Zur Geschichte, die erzählt werden muss, gehört aber auch, dass es Ermittlungen gegen Dan McCrum gab. Ich bin froh, dass die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen eingestellt hat und sich jetzt auf die Täter konzentriert.“

Olaf Scholz setzt damit ein starkes Signal für die Pressefreiheit und für die Kraft investigativer, unabhängiger Recherche: Der oberste Dienstherr der deutschen Finanzaufsicht zeichnet jenen Journalisten aus, der die Schwächen auch der eigenen Behörden so unnachgiebig aufgedeckt hat
Dan McCrum, 42, recherchiert seit 13 Jahren für die "Financial Times". Mehrfach hat er Betrug bei börsennotierte Unternehmen aufgedeckt und wurde dafür etliche Male ausgezeichnet. Ehe er zur FT kam, studierte er Wirtschaft und arbeitete als Finanzanalyst für die Citigroup.

Gute Recherchen entstehen im Team. Und darum sollen hier auch die "Financial Times"-Kollegen Stefania Palma, Paul Murphy, Olaf Storbeck genannt werden, die die Wirecard-Recherche gemeinsam mit Dan McCrum im Lauf der Jahre immer wieder vorantrieben.

Scholz: „Ich bin Ihnen, lieber Dan McCrum, und ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern, insbesondre Stefania Palma, sehr dankbar. Die FT hat sich ein einmal mehr als gute Adresse für Qualitätsjournalismus im digitalen Zeitalter behauptet. Möge der Preis für Dan McCrum für viele andere eine Ermutigung sein, genau hinzuschauen und beharrlich dran zu bleiben.“

Der Deutsche Reporterpreis, inzwischen so etwas wie der deutsche Pulitzerpreis, wird seit 12 Jahren vom Reporter-Forum verliehen, einem Netzwerk von Journalistinnen und Journalistinnen aus vielen Redaktionen. Er ist nicht dotiert und soll Debatten über Qualität im Journalismus befeuern. Zur 29-köpfigen Jury gehören unter anderem Franziska Augstein, Claus Kleber, Anja Reschke, Richard Gutjahr, Caren Miosga, Teresa Bücker, Axel Hacke, Jessy Wellmer, Armin Wolf. Zuletzt wurde mit dem Sonderpreis der #metoo-Enthüller Ronan Farrow ausgezeichnet.