Hattest du im letzten Jahr eigentlich schlaflose Nächte?
Ich habe in intensiven Recherchephasen immer schlaflose Nächte. Mir fallen dann Fragen, Formulierungen für den Text oder Rechercheansätze ein. Ich tippe sie in mein Handy, damit ich sie nicht bis zum nächsten Morgen vergesse – und die Gedanken ruhen lassen kann.
Hast du einen Instinkt, bei dem Dein investigativ-Gen anspringt?
Ganz klassisch, leichter Adrenalinpegel wenn ich merke: Das könnte groß werden.
Hat teurer, investigativer Journalismus es heute schwerer als früher?
Das können ältere und erfahrene Kolleg:innen besser beantworten als ich. Wenn man aber sieht, was für prekäre Arbeitsverhältnisse heute im Journalismus viel zu oft existieren: sicherlich ja.
Ein Recherchetrick?
Ich versuche, alle Infos die ich bekomme, so schnell wie möglich zu digitalisieren, immer mit Datum und Uhrzeit. Telefongespräche schreibe ich als Protokolle wenn möglich direkt am Laptop mit – andernfalls tippe ich meine handschriftlichen Notizen ab. Vorteil: Ich kann meine Infos strukturiert (und verschlüsselt) ablegen, nach Stichworten durchsuchen und vor allem zügig wiederfinden. Mein Alptraum sind ein Stapel handschriftlicher Notizbücher und unbenannte/undatierte Audiodateien.
Ein Schreibtick?
Ich denke ewig über Überschriften nach und habe am Ende dennoch selten gute Ideen.
Ein Schreibtrick?
Alle Textideen sofort notieren, und sei es wenn einem in der U-Bahn ein guter Einstieg einfällt. Wenn ich die Hände nicht frei habe, nutze ich Sprachmemos.
Ein Text von dir, den du heute anders schreiben würdest?
Ich würde vermutlich jeden Text anders schreiben, und trotzdem stehe ich hinter allem, was ich veröffentlicht habe.
Auf welchen deiner Texte bist du heute stolz?
Ich bin in der Regel erleichtert, nicht stolz.
Gutes Redigieren heißt für dich?
Ein gutes Redigat ist wie ein sprachlicher Faktencheck. Es macht den Text präziser, korrekter, hinterfragt Worthülsen, findet Fehler. Im besten Fall gibt es mehrere Redigatsrunden: Erst einen groben Überblick: Funktioniert die Struktur? Fehlen Infos, um den Text zu verstehen? Dann erst kommt der sprachliche Feinschliff, und zwar mehrere Runden. Zum guten Redigat gehören für mich immer zwei Seiten: eine Redakteurin (ein Redakteur), welche sensibel mit den sprachlichen Eigenheiten eines Textes umgehen. Und ein:e Autor:in, welche:r nicht selbstverliebt am eigenen Text klebt, sondern auch für größere Änderungen offen ist. Die beste Zutat für ein gutes Redigat ist Vertrauen.
Wie hat sich Corona auf deine Arbeit ausgewirkt?
Sie ist einsamer geworden, was ich sehr bedauere.
Welchen Text einer anderen Autor:in hättest du gern selbst geschrieben?
Impunity: in The Name of The Father von Patricia Evangelista, auf Rappler. Ich bewundere Journalist:innen wie sie, die unendlich mutig sind und sogar ihr eigenes Leben riskieren, um Missstände wie in diesem Fall systematische Ermordungen durch das eigene Staatsoberhaupt Duterte aufzudecken. Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht weiß, ob ich das könnte.
Geheimtipp, der jeden Text besser macht?
Demut.
Was liest du gerade?
Gerade fertig gelesen: Argonauten von Maggie Nelson. Fantastisches Buch.
Juliane Löffler ist Journalistin des Jahres 2021, zusammen mit ihren drei Kolleg:innen des ehemaligen und inzwischen in alle Winde zerstreuten "Ippen-Investigativ"-Teams. Sie trieb entscheidend jene Recherche bei der "Bild" voran, die erst nicht erscheinen durfte und dann mit dem Rauswurf von Julian Reichelt endete. Seit März gehört sie zum Investigativ-Team des "Spiegel".