Emilia Smechowski, wie arbeitest Du?

Ein Schreibtick?
Ich kann keinen Rechtschreibfehler stehen lassen, weder in SMS noch in allerersten Textversionen, in denen man eh nur rumprobiert. Und nein, das ist kein „Perfektionismus“ in Anführungsstrichen, den man heimlich doch ganz geil findet. Es ist ein Tick, unter dem ich wirklich leide.

Ein Schreibtrick?
Schön blöd, wenn das ZEITmagazin hier mitliest, aber den Preis zahle ich gern, also bitteschön: Niemals groß in der Redaktion ankündigen, dass man anfängt zu schreiben, denn dann gewinnt man, was jeden Text besser macht – Zeit!

Ein Text von dir, den du heute anders schreiben würdest?
Eine Reportage über einen polnischen, alkoholkranken Obdachlosen. Ich hatte, was viele Anfänger haben: zu viel Empathie und zu wenig Distanz. Ich habe ihm alles geglaubt.

Auf welchen deiner Texte bist du heute stolz?
Auf das Porträt von Paul Ziemiak, weil da Empathie und Distanz viel ausbalancierter waren (finde ich, er sieht das sicher anders). Und auf meinen Text über Diäten. Das war der erste (und bisher letzte), den ich einfach so und mit viel Spaß runtergeschrieben hab.

Gutes Redigieren heißt für Dich?
Schnelles Erkennen, welches Werkzeug gebraucht wird, nicht zu viel und nicht zu wenig machen also, sich als Redakteur nicht profilieren wollen. Bei guten Texten: bisschen Poliertuch, fertig. Bei schlechten Texten: den Mut haben, alles nochmal neu zu bauen.

Welchen Text eines anderen hättest du gern selbst geschrieben?
Ich verstehe die Frage nicht. Den Text eines anderen kann ich ja gar nicht geschrieben haben. Will ich auch nicht. Konkurrenz unter Autorinnen und Autoren leuchtet mir null ein, das war schon als Freie so. Wir sind eher zu wenige als zu viele, für all die Themen da draußen. Und ich freue mich immer über gute Texte, egal von wem. (Das sage ich als Autorin. Als eine, die ein Magazin mit verantwortet, denke ich allerdings schon manchmal: Mist, warum steht das nicht bei uns?)

Geheimtipp, der jeden Text besser macht?
Neben Zeit? Kürzen! Gerade auch beim eigenen Text. Alles, was man selbst kürzt, tut am Ende weniger weh.

Eine Frage für einen Kollegen, eine Kollegin?
Wollen wir uns vertragen? Sagt man zu selten. Hilft immer.

Was liest du gerade?
Zu viele Musts, sprich Sachbücher für Recherchen. Aber dann noch: „Oreo“ von Fran Ross. Radikal gut erzählt, richtig gut übersetzt, liest man sogar weiter, wenn man total übermüdet ist.     

Lieblingsort zum Schreiben?
Ihre Gesangslehrerin hat ihr mal den Spruch eingeimpft: „Wenn der Bauer nicht schwimmen kann, war‘s die Badehose.“ Sie hat also gelernt, überall zu schreiben. Und wenn sie es nicht kann, hat der Ort damit nichts zu tun.

 

Emilia Smechowski, 38, ist stellvertretende Chefredakteurin des ZEITmagazins und Autorin der Bücher „Wir Strebermigranten“ und „Rückkehr nach Polen“.

Emilia Smechowski bei Die ZEIT