Julia Friedrichs, wie arbeitest Du?

Ein Schreibtick?
Ich vermute, das sind in meinem Fall manchmal zu lange Nebensatzketten – gibt es die überhaupt? – mit Einschüben.

Ein Schreibtrick?
Ich lese mir jeden Entwurf immer laut vor. Erst dann ist klar, was fließt.

Ein Text von dir, den du heute anders schreiben würdest?
Oberbanale, aber einzig wahre Antwort: jeden.

Auf welchen deiner Texte bist du heute stolz?
Auf die allermeisten der über 300 Seiten meines Buches "Working Class". Der Text hat einen guten Takt, verwebt die Leben der Menschen, um die es geht, mit den Daten und Einschätzungen der Ökonomen, Individuum mit Struktur. Gut geworden!

Gutes Redigieren heißt für dich…?
Das ist mehrstufig: eine schnelle Reaktion auf die Textabgabe, selbst, wenn es nur heißt: "Gerade keine Zeit". Dann bin ich für wirklich alles, was über Bauchgefühliges hinausgeht, sehr dankbar. Gerne konkret, gerne mit eigenen Ideen und Vorschlägen. Und ein wacher Blick auf alle Fakten ist ein Segen. Jeder gute Text ist eine Teamarbeit.

Eine Schreib-/Erzähl-Konvention, die wir alle mal überdenken sollten?
Der allwissende Autor (siehe oben), der meint in den Köpfen seiner Protagonisten Gedanken lesen zu können, der Vergangenes so erzählen kann, als sei er dabei gewesen, der immer alles einordnen, einschätzen, einhegen kann.

Welchen Text eines anderen hättest du gern selbst geschrieben?
Keinen. Ich bewundere sehr viele Autorinnen für sehr viele exzellente Texte. Ich bin gerne Fan.

Geheimtipp, der jeden Text besser macht?
Laut lesen, Füllwörter rauskicken, sprachlich abrüsten.

Was liest du gerade?
Privat: Nino Haratischwili: "Das achte Leben (Für Brilka)“, leider schon auf Seite 1100
Beruflich: David Goodhart: "Kopf Hand Herz. Das neue Ringen um Status"

Julia Friedrichs ist Reporterin und Filmemacherin, hat den Grimme-Preis gewonnen, viel diskutierte Bücher über "Erben" und "Elite" geschrieben, punktgenau zielt ihr neues Buch "Working Class" in den Kern der Ungleichheitsdebatte.

www.juliafriedrichs.de