Wolfgang Büscher, wie arbeitest Du?

Was ist guter Lokaljournalismus für dich?
Es unterscheidet ihn eigentlich fast nichts von anderen Journalismusformen – außer der Herausforderung, trotz regionaler Detailtiefe den Blick fürs große Ganze nicht verlieren zu dürfen.

Du schreibst über Rechtsextreme, aber auch Linksextreme. Bist du schon mal bedroht worden?
Im Lokalen schreibt man oft über Räume, in denen man sich auch privat bewegt – und manchmal kommt einem die Arbeit da unangenehm nahe. Das trifft auf Extremismus gerade nicht zu. Dieses Thema fühlt sich weit genug weg an von meinem privaten Leben. Ich habe auch keine Angst. Gerade Rechtsextremen scheint es erschreckend egal zu sein, wenn man über ihr Rechtsextrem-Sein berichtet.

Hilft ein Preis wie "Lokaljournalistin des Jahres", um mehr Zeit für Recherchen zu haben?
Es ist eher anders herum: Die ausreichend lange Zeit, die ich in unserem Reportage- und Investigativ-Team für Themen habe, hat geholfen, diese Auszeichnung zu bekommen.

Du warst an der DJS, hast dann für die FAZ gearbeitet, bist jetzt in Leipzig. Was ist den meisten Leuten in München oder Frankfurt über Sachsen nicht klar?
Dass der Großteil der Menschen hier nicht dieselben kollektiven Erinnerungen teilt – nicht an die Zeit vor der Wiedervereinigung und auch nicht an die Zeit danach. Wenn den Menschen in Frankfurt und München das klar wäre, würden sie sich über den manchmal anderen Blick auf die Dinge im deutschen Osten nicht immer wieder neu wundern.

Der westliche Blick auf den Osten: derzeit ein großes Thema. Du bist in 1986 Karl-Marx-Stadt geboren –  gelingt es dir noch, beide Perspektiven zu verbinden?
Ich denke ja. Was für meine westdeutschen Freunde gerade Thema ist, ist es für meine Mutter garantiert nicht – oder sie sieht es jedenfalls oft ganz anders.

Ein Recherchetrick?
Den hab ich mir aus einem DJS-Seminar von Holger Gertz abgeguckt. Es ist eher ein Reportage-Trick, aber er funktioniert auch für Recherchen. Stell vor allem die wichtigste und beste Frage „Warum machen Sie das?“

Ein Schreibtick?
Das Dokument muss immer speziell eingerichtet sein. Schriftart, Schriftgröße, Zeilenabstand, Textausrichtung, Seitenrand – erst dann kann’s losgehen.

Ein Schreibtrick?
Ich mache fast immer zuerst eine Skizze des Textes in Stichpunkten. Vorteil für mich: Man bekommt eine Idee von der Dramaturgie, und wenn man dann beim „richtigen Schreiben“ an einer Stelle nicht weiterkommt, geht es vielleicht an einer anderen.

Auf welchen deiner Texte bist du heute stolz?
Gerade bin ich stolz auf den Podcast zum Fall der Linksextremistin Lina E., den wir als Team in der LVZ-Redaktion produziert haben und den ich hosten durfte. Ich finde, da ist es uns gelungen, differenziert über linke Militanz zu sprechen, ohne über Rechtsextremismus zu schweigen. Und spannend ist es auch.

Welchen Text einer anderen Autorin, eines anderen Autors hättest du gern selbst geschrieben?
„Und was will der Wal?“ von Johannes Böhme im Zeit-Magazin – das ist ein Text über einen Orca.

Geheimtipp, der jeden Text besser macht?
Nicht besonders geheim, aber oft vergessen: Computer ausmachen, schlafen gehen, neu versuchen.

Dein Lieblings-Buch?
Mariana Leky, „Was man von hier aus sehen kann“ – fantastisch im wahrsten Sinne.

 

Geboren 1986 in Karl-Marx-Stadt, das heute Chemnitz heißt. Nach Ausbildung an der DJS Polizei- und Gerichtsreporterin in Frankfurt bei der FAZ, dann frei für FAS, ZEIT und den MDR. Heute ist sie Reporterin bei der Leipziger Volkszeitung. 2016 erhielt sie den Hessischen Jungjournalistenpreis, kürzlich kürte das Medium Magazins sie in der Kategorie Reportage Regional zu einer der Journalistinnen des Jahres.

Denise Peikert bei LVZ